Ursula Panhans-Bühler
Materie und Gesten

Claudia Hajek hat mit selbstverständlicher Folgerichtigkeit ein
künstlerisches Werk entwickelt, das mit minimalen Gesten
einer Transformation uns aus den Beschränkungen unserer
gewöhnlichen physischen und räumlichen Erfahrung kickt. Ihre
künstlerischen Gesten gehen nicht von einer Trennung von Stoff
und Form aus, indem sie ersteren als Rohstoff nehmen, um ihm
einen künstlerischen Mehrwert zuzufügen. Im Gegenteil, sie gehen
davon aus, dass Stoff und Form immer schon eins sind, egal ob
sie ‚roh’ aufgefunden werden als natürliche Gegebenheiten oder
aber sich einer handwerklichen oder technologischen Aufbereitung
verdanken.   …

Claudia Hajek zeichnet direkt mit gestischem Handeln, fügt
dadurch den Dingen neue Möglichkeiten ihrer räumlichen
Artikulation und ihres Licht-Schatten-Spiels hinzu. Die Dinge
werden so ganz unmittelbar zum Mitspieler im Formprozess. Und
noch etwas kommt hinzu: der Betrachter erfährt nicht angenagelt
auf einen festgefrorenen Standpunkt ein singuläres Objekt,
sondern er ist selbst beteiligt am Leben der Dinge durch seine
eigene Bewegung. Im Beziehungsgefüge zwischen ihm und den
Objekten werden beide neu lebendig.

„Zeichnung ist die gefaltete Ebene im Licht“ – diese
Kommentierung der eigenen Arbeit ist ganz wörtlich und zugleich
dynamisch zu verstehen. Den gestauchten Aluminiumblechen
sieht man den Akt der Stauchung als eine Spannungsaufladung
an, und zugleich reagieren die so veränderten Flächen auf das
Licht im Raum mit vielfältigen Lichtbrechungen, Lichtreflexen,
Schattenphänomenen, die ihr Eigenleben komplizenhaft mit der
Bewegung des Betrachters im Raum verbinden. Zudem entwickeln
die Faltungen eine neue Dynamik, Stauchungen verschärfen
oder mildern sich, machen uns darauf aufmerksam, dass
Faltung in unserer Erfahrung sich ursprünglich als Moment einer
dynamischen Distanzbeziehung im Erleben herausgebildet hat.


Ralf Bartholomäus

Bei der Installation aus Aluminium-Flächen von Claudia Hajek
wird die Überlagerung von Flächen, Lichtern, Reflexionen, Schwin-
gungen und Klängen sinnfällig. Mit jedem Schritt durch die Gale-
rie ergibt sich ein neues Bild, eine veränderte Ansicht, ja selbst
eine neue Akustik. Wieder sind wir so intensiv mit dem Erlebnis
beschäftigt, dass die angedeutete karthatische Wirkung geradezu
unvermeidlich wird.
Bei dieser Arbeit sind wir nicht nur Betrachter, sondern Gestalter,
mit jeder Bewegung und jeder Wendung des Blicks.

Ex. Cat. Sound & Vision 2011, Galerie Weißer Elefant,
Hrsg. BA Mitte von Berlin

Urs Brugmann

Ein Bild, das keines ist, lehnt hinten in der Raumecke: mit Plastik-
geflecht bespannte Keilrahmen, spiegelnde Aluminiumbleche sind
Trümmer und Grundmaterialien. Claudia Hajek, 1967 in Bielefeld
geboren, bietet damit einen offenen Bestand an Erfahrungen –
für die Künstlerin, wie für die Betrachter.

Aus: Bilder und Requisiten der Zugehörigkeit, NLZ, 15.11.2006



Matthias Hassenpflug

Hält man die Hand vor eine Glübirne, kann man Knochen und
Adern sehen. Der eigene Körper wird einem fremd, die Haut ist
eine dünne Membran, dahinter das Geheimnis des Lebens.
Ähnlich ergeht es dem Betrachter der acht großen Acrylglaskästen,
die im Pavillon auf der Freundschaftsinsel zu sehen sind. In ihnen
sind acht große weiße Papierblätter verwahrt, die an Stahlseilen
frei von der Decke hängen.
Claudia Hajek zeigt Wände aus Papier. Wenn die Sonne hinein-
scheint, lösen sich Geheimnisse aus den Knicken und Falzen. Die
Haut und ihre Falten denkt man. Papier, noch unbeschrieben, aber
bereits markiert, unbemalt, aber vorgezeichnet. Ein Zwischenstadi-
um.
Schwebende Bögen Weiß, kurz vor dem Nichts, von Licht durch-
flossen. … Ein Moment des Lebens, in den Stoff geformt, längst vorbei
schon, hier aber fixiert. Und niemals genau so wiederholbar. …
Die Knautschungen, Kniffe und Verwerfungen sind Spuren auf dem
opaken Material, aber noch keine Zerstörungen. Da ist kein Riss.
Wut, Willkür oder Plan? Zufall oder Komposition? Claudia Hajek
läßt zerbeulte Makellosigkeit und gebrochene Erhabenheit entstehen.

Aus: Kurz vor dem Nichts – Acht Bögen Papier von Claudia Hajek
PNN, 20.9.2005